Geschichte

 

 

07.05.2011

«Wissen durchwandert Generationen»

 

Von Marc Uthmann Versmold. Die ersten Zeilen der Unternehmensgeschichte dokumentieren den Zeitgeist: »Geschäftseröffnung! Den geehrten Bewohnern von Versmold und Umgebung zur Nachricht, dass ich am heutigen Tage im Hause des Herrn Spediteurs Witte, Wiesenstraße 15, eine Mechanische Bau- und Möbeltischlerei eröffnet habe«, inseriert Tischlermeister Gustav Elbracht 1936 im Haller Kreisblatt. Und weiter: »Es wird stets mein Bestreben sein, durch saubere Handwerksarbeit meine werte Kundschaft zufriedenzustellen und bitte ich um geneigten Zuspruch«. Der Beginn einer Unternehmensgeschichte, die nun die vierte Generation erreicht hat und 75 Jahre andauert.

Am 9. Mai feiert die Bau- und Möbeltischlerei Elbracht ihr Jubiläum, aus dem Einmannbetrieb der 30er-Jahre ist an der Nordfeldstraße längst ein modernes, kleines Handwerksunternehmen geworden.

 

Und mit diesem Meilenstein ist die Zeit gekommen, die Verantwortung neu zu verteilen: Geschäftsführer Jürgen Flöttmann wird sich aus dem operativen Bereich zurückziehen und Sohn Michael ans Ruder lassen. Der gelernte Tischler und studierte Betriebswirt ist seit dem 1. Mai verantwortlich, er wurde im vergangenen halben Jahr an das gewachsene Aufgabenfeld herangeführt. Unterstützt vom Vater als Berater wird er künftig vor allem dafür zuständig sein, dass die Zahlen beim Traditionsbetrieb stimmen, für das Handwerk zeichnet weiterhin Geschäftsführer Ulrich Tellbrügge verantwortlich, der bereits seit 35 Jahren im Betrieb wirkt.

 

Ähnlich klar war die Aufgabenteilung auch einst: Bei „Witte in der Scheune an der Wiesenstraße”, so erinnert sich Jürgen Flöttmann, fing Gustav Elbracht an und kaufte mit seiner Frau Emma dann einen Kotten an der Burgkampstraße, der heutigen Ringallee. Und während der Gründer Möbel baute, kümmerte sich Emma Elbracht um alles, was drum herum anfiel und erledigte noch bis 1986 die Buchführung. 1950 entstand das erste Werkstattgebäude, später wurde das einstige Wohnhaus zur Produktion hinzugenommen. Heinz Elbracht übernahm den Betrieb von Vater Gustav, 1976 stieg der heutige Geschäftsführer Ulrich Tellbrügge ein – als Lehrling.

 

1987 wurde der Betrieb schwer erschüttert: Das komplette Lager brannte aus, fertige Möbel und Maschinen wurden vernichtet. „Wir konnten schnell wieder produzieren, erhielten aber immer nur eine befristete Genehmigung”, erinnert sich Mitgesellschafterin Karin Elbracht-Flöttmann. Denn längst stand fest, dass der wachsende Betrieb zu groß für sein altes Domizil werden würde, war ein Umzug beschlossene Sache. 1996 wurde er schließlich vollzogen, an der Nordfeldstraße siedelte sich die Tischlerei Elbracht auf 3 500 Quadratmetern Fläche an.

 

Drei Jahre zuvor war Jürgen Flöttmann in das Unternehmen eingetreten – er blickt heute mit Stolz auf den Start unter neuer Adresse zurück: „Wir haben modernste Maschinen angeschafft und uns weiterentwickelt. Heute heizen wir zum Beispiel mit eigenen Spänen und haben zwei Fotovoltaikanlagen zur Stromerzeugung installiert.”

 

Zwei Geschäftsführer, fünf Gesellen, einen Auszubildenden und vor allem vier im Unternehmen selbst ausgebildete Tischlermeister hat Elbracht heute vorzuweisen – Qualität ist die Trumpfkarte. „Etwa 60 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit der Büromöbelproduktion”, sagt Jürgen Flöttmann. Weitere Standbeine sind Möbel nach Maß, die man nicht bei den großen Handelsketten kaufen kann, sowie die Abwicklung von Bestattungen – wobei Elbracht die Särge nicht selbst baut. Nach der Philosophie des Betriebes gefragt, bringt es Michael Flöttmann auf den Punkt: „Unsere Leistungen sind nicht vergleichbar, wir bauen individuelle Stücke.”

 

 

 

 

 

Breite Palette und guter Name als Markenzeichen

 

Da, wo Gustav Elbracht einst gutes Augenmaß beweisen musste, berät der Betrieb seine Kunden bei der Umsetzung heute mit Computersimulationen. „Dank eines Mannes wie Ulrich Tellbrügge können wir die komplette Palette herstellen. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal genau wie unser guter Name”, sagt Jürgen Flöttmann und in diesem Satz schwingt eine Menge Stolz mit.

 

Die Kunden – sie kommen überwiegend aus dem Umkreis von 20 bis 30 Kilometern – können mit dem Image des Familienbetriebes bei Elbracht etwas verbinden. Heinz Elbracht übernahm das Geschäft einst von Vater Gustav, er selbst bildete wiederum Ulrich Tellbrügge aus, der seine große Erfahrung aus Jahrzehnten nun dem Handwerker-Nachwuchs mit auf den Weg geben wird.

 

So zum Beispiel dem 20-jährigen Christian Flöttmann, der trotz seiner Jugend ebenfalls schon den Meisterbrief als Tischler in der Tasche hat und mittelfristig auch Verantwortung im Familienbetrieb übernehmen wird. Der jüngste Flöttmann-Sohn hat offenbar auch den größten Sinn für Schnörkel: „Christian macht gern die ausgefallenen Sachen” – da sind sich Bruder und Vater einig. Und Jürgen Flöttmann schiebt nach: „Tischler sind ja in gewisser Hinsicht auch Künstler.”

 

Damit steht wohl fest: Alle drei Söhne haben das Künstler-Gen geerbt. Denn auch Alexander Flöttmann erlernte den Tischler-Beruf; er arbeitet heute als Architekt.

 

Dass Wissen und Bräuche weitergegeben werden, gehört in einem Traditionsbetrieb natürlich dazu. So fängt bei Elbracht noch heute kein neuer Mitarbeiter an einem Montag an: „Montags wird nicht wochenalt, hieß es früher. An diesem Aberglauben halten wir immer noch fest”, sagt Jürgen Flöttmann. Gelernt ist eben gelernt.